Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste in Kürze
Strukturwandel, fehlendes Kapital, Fehlinvestitionen oder Mängel im Führungsstil: Die Gründe für Insolvenzen sind vielfältig und haben oft nicht nur eine Ursache. Im Jahr 2020 ist mit den Umsatzeinbußen aufgrund der Corona-Krise eine weitere dazu gekommen.
Insbesondere für Unternehmen können solche über einen längeren Zeitraum anhaltenden Krisen existenzbedrohend sein.
Da die Corona-Krise viele Unternehmen unverschuldet in eine Krise gestürzt hat, in der das Unternehmen bis zum 29.02.2020 unter der Regelung der Insolvenzordnung einen Insolvenzantrag hätten stellen müssen, hat der Gesetzgeber das COVID-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG) beschlossen.
Sinn und Zweck der mit dem COVID-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG) eingeführten insolvenzrechtlichen Regelungen ist es, von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen eine Fortführung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen und zu erleichtern. Hierdurch soll den betroffenen Unternehmen genügend Zeit gegeben werden, staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen oder zu Finanzierungs- oder Sanierungsarrangements mit Gläubigern und Kapitalgebern zu kommen. Des Weiteren sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Sanierungskredite gewährt werden können, und dass bestehende Geschäftsverbindungen nicht abgebrochen werden.
Nutzen Sie die Zeit, um schnell individuelle Finanzierungs- und Sanierungskonzepte zu erarbeiten, damit Sie die eingetretene Krise überwinden.
Das geplante Gesetz sieht im Wesentlichen fünf Maßnahmen zur Unterstützung von durch die COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen vor:
Zunächst wurde die haftungsbewehrte und teilweise auch strafbewehrte Insolvenzantragspflicht (§ 15a IV, V InsO) vorübergehend bis zum 30. September 2020 ausgesetzt.
Ausnahmen:
Durch die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sollen antragspflichtige Unternehmen die Gelegenheit erhalten, ein Insolvenzverfahren insbesondere unter Inanspruchnahme der bereitzustellenden staatlichen Hilfen, gegebenenfalls aber auch im Zuge von Sanierungs- oder Finanzierungsvereinbarungen abzuwenden.
Stellen Sie eine nachvollziehbare Dokumentation zusammen, welche belegt, dass die Zahlungsunfähigkeit einen COVID-19-Pandemie-Zusammenhang hat und außerdem die Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hat.
Geschäftsleiter haften nur eingeschränkt für Zahlungen, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife des Unternehmens vornehmen. Während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt für erfolgende Zahlungen, dass diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind.
Gemeint sind insbesondere Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen.
Diese Regelung soll es Geschäftsleitern ermöglichen, erforderliche Maßnahmen zur Fortführung eines ordentlichen Geschäftsgangs ergreifen zu können, ohne durch die grundsätzlich vorgegebenen engen Grenzen beschränkt zu werden.
Dokumentieren Sie alle Maßnahmen, die Sie eingeleitet haben, um die Liquidität zu verbessern. Auch sollten Sie regelmäßig den Liquiditätsstatus und Ihre Finanzplanung sichern.
Dem Unternehmen neu gewährte Kredite sind nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen.
Zudem soll die Besicherung und eine bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr als nicht gläubigerbenachteiligend gelten.
Gleiches gilt auch für Gesellschafterdarlehen, nicht jedoch für deren Besicherung. Die neu gewährten Gesellschafterdarlehen sollen vorübergehend nicht nachrangig sein.
Die damit einhergehende Einschränkung anfechtungs- und haftungsrechtlicher Risiken soll der Förderung der Vergabe von neuen Krediten dienen.
Hierdurch soll, während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, eine Fortführung der Geschäftsbeziehungen zu den von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen unterstützt werden.
Dreimonatige Einschränkung der Möglichkeit von Gläubigern, durch Insolvenzanträge Insolvenzverfahren zu erzwingen.
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll für die Unternehmen gelten, deren Antragspflicht direkt in § 15a der Insolvenzordnung geregelt ist, sowie für Unternehmen, deren Antragspflicht sich aus einem Verweis auf die vor genannte Vorschrift ergibt.
Die Aussetzung soll zudem auch für Vereins- und andere Vorstände gelten, deren Antragspflicht direkt in § 42 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder durch Verweis auf diese Vorschrift geregelt ist.
Das COVInsAG läuft in wesentlichen Teilen zum 30.09.2020 aus.
Am 02. September 2020 hat die Bundesregierung jedoch eine beschränkte Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beschlossen.
Diese beschlossenen Änderungen sehen vor, die Aussetzung der Antragspflicht bis zum 31. Dezember 2020 zu verlängern. Von der Verlängerung sind jedoch nur solche Unternehmen betroffen, welche infolge der COVID-19-Pandemie überschuldet sind, ohne zahlungsunfähig zu sein. Im Gegensatz zu zahlungsunfähigen Unternehmen bestehen bei überschuldeten Unternehmen nämlich große Chancen, die Insolvenz noch dauerhaft abzuwenden.
Zahlungsunfähige Unternehmen können hingegen ihre fälligen Verbindlichkeiten bereits jetzt nicht mehr bezahlen. Das bedeutet, dass es diesen Unternehmen nicht gelungen ist, ihre Finanzlage in ausreichendem Maß zu stabilisieren.
Um das erforderliche Vertrauen in den Wirtschaftsverkehr nicht zu gefährden, werden diese Unternehmen nicht in die Verlängerung einbezogen.
Unternehmen, bei denen jetzt Liquiditätsengpässe bestehen, sollten dringend prüfen, ob der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist oder in Kürze eintreten wird. Die Stellung eines Insolvenzantrags durch die Geschäftsführung wird ab dem 1. Oktober 2020 – jedenfalls bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit – wieder verpflichtend und zwingend erforderlich, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Bei Überschuldung ist die Aussetzung noch bis zum 31.12.2020 möglich.
Zahlungsunfähigkeit (gem. § 17 InsO) ist gegeben,
In dieser Liquiditätsbilanz werden die liquiden Mittel zu einem bestimmten Stichtag den fälligen Verbindlichkeiten gegenübergestellt.
Ob eine Forderung noch mit einkalkuliert werden darf und ab wann sie nicht mehr sicher zu erwarten ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab und ist schwer pauschal festzulegen.
Für die Bestimmung der Fälligkeit der Verbindlichkeit ist zunächst die Parteivereinbarung ausschlaggebend. Haben die Parteien keine Fälligkeitsabrede getroffen, ist eine Verbindlichkeit im Zweifel sofort fällig (§ 271 BGB).
In der Praxis ist die Bestimmung der Fälligkeit – insbesondere bei streitigen Forderungen – oftmals schwierig, sodass es sich empfiehlt, diesbezüglich Rechtsrat einzuholen.
Neben dem Erfordernis der Fälligkeit fordert der BGH zusätzlich, dass Forderungen auf der Passivseite nur berücksichtigt werden müssen, wenn diese auch ernsthaft eingefordert wurden. Jedoch genügt hierzu jede Art von Gläubigerhandlung, aus der sich der Wille, Erfüllung zu verlangen, ergeben kann. Im Zweifel sollte besser davon ausgegangen werden, dass die Forderung auch ernsthaft geltend gemacht wird.
Stellt man fest, dass die liquiden Mittel die fälligen Verbindlichkeiten nicht decken, ist in einem zweiten Schritt mittels eines dynamischen Finanzplans festzustellen, ob es sich bei der festgestellten Unterdeckung um eine nur vorübergehende Zahlungsstockung handelt. Lässt sich die Liquiditätslücke nämlich innerhalb von drei Wochen wieder komplett schließen, liegt noch keine Zahlungsunfähigkeit vor. In den dynamischen Finanzplan dürfen einerseits alle künftigen verfügbaren Mittel einbezogen werden, andererseits müssen nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (BGH, 19.12.2017 – II ZR 88/16) auch alle fällig werdenden Verbindlichkeiten berücksichtigt werden.
Ergibt die Aufstellung, dass die Liquiditätslücke auch nach drei Wochen noch vorhanden ist, stellt sich in einem dritten Schritt die Frage, wie groß die Liquiditätslücke ist. Ist die Liquiditätslücke kleiner als 10 Prozent der gesamten fälligen Verbindlichkeiten und kann in absehbarer Zeit wieder beseitigt werden, liegt noch keine Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO vor.
Vermutung der Zahlungsunfähigkeit: Auf komplizierte Rechnungen kann verzichtet werden, wenn sich aus dem Gesamtverhalten des Schuldners für Außenstehende erkennbar ergibt, dass dieser seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO), da die Zahlungsunfähigkeit dann widerlegbar vermutet wird. Anzeichen dafür sind beispielsweise wiederholt nicht eingehaltene Zahlungszusagen, zurückgegebene Lastschriften, Pfändungen oder Vollstreckungen.
Ein weiteres Ziel des COVInsAG ist es, einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) von Unternehmen vorzubeugen. Da dieser Insolvenzgrund lediglich mit einem Antragsrecht und nicht mit einer Antragspflicht einhergeht, erfasst das COVInsAG diesen Grund nicht.
Drohende Zahlungsunfähigkeit ist (§ 18 Abs. 2 InsO) gegeben, wenn „der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.“ Der Schuldner kann einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Alle Schuldner haben das Recht, bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zustellen. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen aktuell noch alle fälligen Verbindlichkeiten zahlen kann, der Liquiditätsstatus demnach keine Deckungslücke aufweist.
Liegt bei meinem Unternehmen eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor?
Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn
Prognosezeitraum: Der Betrachtungszeitraum endet bei der letzten Fälligkeit der bestehenden Verbindlichkeiten.
Mit dem Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ist als Nachweis eine negative Fortbestehensprognose einschließlich einer entsprechenden Liquiditätsplanung vorzulegen. Aus der Liquiditätsplanung muss hervorgehen, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als die Zahlungsfähigkeit.
Eine drohende Zahlungsunfähigkeit hat zur Folge, dass die Unternehmen das Vorliegen einer Überschuldung prüfen müssen. Das Ergebnis der Überschuldungsprüfung kann eine Insolvenzantragspflicht auslösen.
Besteht die Möglichkeit, das Unternehmen zu sanieren, ist es vorteilhaft, so früh wie möglich einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung vergrößern sich dadurch maßgeblich. Die durch das ESUG (Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) neu geschaffenen Möglichkeiten der Insolvenz in Eigenverwaltung oder das Schutzschirmverfahren sollen den Schuldner ausdrücklich zu einer frühzeitigen Insolvenzanmeldung motivieren. Ein Schutzschirmverfahren kann beispielsweise nur bei drohender, aber nicht bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit beantragt werden.
Die Überschuldung in der Insolvenz ist in § 19 Abs. 2 InsO beschrieben. „Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich“.
Der Insolvenzgrund der Überschuldung ist nur auf Unternehmen anwendbar, die mit einem beschränkten Eigenkapital haften. Dieses ist im Fall einer Überschuldung aufgezehrt. Die Eigenkapitalgeber haben in der Überschuldung bereits ihre Kapitaleinlage verloren. In der Folge geht das Risiko der Unternehmensfortführung auf die Gläubiger über.
Um herauszufinden, ob bei Ihrem Unternehmen die Voraussetzungen einer Überschuldung gegeben sind, müssen Sie eine zweistufige Prüfung vornehmen:
Voraussetzungen einer positiven Fortbestehungsprognose:
Durch die Überschuldungsbilanz wird festgestellt, ob überhaupt eine Überschuldung vorliegt. Bei Kapitalgesellschaften besteht Insolvenzantragspflicht, wenn die Verbindlichkeiten bei negativer Fortführungsprognose das vorhandene Vermögen übersteigen.
Um die notwendigen Werte der Aktiva und Passiva zu ermitteln, müssen Sie die Liquidationswerte und nicht die Werte der Handels- oder Steuerbilanz (Buchwerte) heranziehen.
Zunächst müssen Sie nach der Feststellung der Überschuldung alle Zahlungen einstellen (§ 130a HGB).
Sollte die Überschuldung nicht oder zu spät festgestellt werden, kann dies strafrechtliche und haftungsauslösende Konsequenzen mit sich ziehen. Demnach ist der Tatbestand der Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO) erfüllt, wenn eine Überschulung vorliegt und kein Insolvenzantrag gestellt wird. Auch die unterlassene Verlustanzeige gegenüber den Gesellschaftern ist strafbar.
Mit einem gut vorbereiteten, qualifizierten Insolvenzantrag kann das Insolvenzverfahren gesteuert werden. Spätestens jetzt sollten Sie einen erfahrenen Berater hinzuziehen. Dieser hilft Ihnen zielführend die richtigen Weichen zu stellen. Unterschätzen Sie auch den Aufwand für einen vollständigen Antrag nicht. Beginnen Sie rechtzeitig mit den Vorbereitungen.
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